Skip to main content

Der aktuelle Sachstand

Vor zwei Wochen, am 18. Juni, beschloss der Berliner Senat „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz (Mietendeckel)“. Der konkrete Beschlusstext wurde erst Anfang vergangener Woche öffentlich. Inhaltlich deckt er sich nahezu vollständig mit dem bereits Anfang Juni an die Öffentlichkeit gelangten Eckpunktepapier zur Einführung eines „Berliner Mietendeckels“. (siehe hierzu auch unseren Newsalert aus Juni 2019)
 
Die Klärung von zentralen Regelungen, die in wichtigen Punkten auch in den Berliner Landesregierungsparteien noch umstritten sind, wurde auf das nun beginnende Gesetzgebungsverfahren vertagt. Der Gesetzentwurf soll Ende August vorliegen und bis Mitte September erfolgt die Anhörung von Verbänden und Experten. Die Abstimmung im Senat soll Mitte Oktober stattfinden und das Gesetz anschließend im Abgeordnetenhaus beraten und beschlossen werden. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist weiterhin für Januar 2020 geplant, wobei die Bestimmungen rückwirkend zum 18. Juni 2019 gelten sollen.

Die im Senatsbeschluss vorgesehenen Punkte entsprechen in weiten Teilen Konzepten, die bereits in den vergangenen Wochen öffentlich diskutiert wurden. Im Vergleich zu dem zuvor an die Öffentlichkeit gelangten Eckpunktepapier enthält der Senatsbeschluss einige wenige Präzisierungen.

Im Einzelnen:

• Der Mietendeckel soll in ganz Berlin Anwendung finden.

• Es soll für die Dauer von fünf Jahren ein „Mietenmoratorium“ gelten, wonach die Mieten für sämtliche Bestandswohnungen für fünf Jahre eingefroren werden. Ein Inflationsausgleich ist ausdrücklich nicht vorgesehen.

• Der Mietendeckel soll sowohl in laufenden Mietverhältnissen als auch bei der Wiedervermietung greifen. Ausgenommen sind nur Neubauten und sozial geförderte Wohnungen. Neu ist der Hinweis, dass Neubauten ab dem Jahr 2014 gegebenenfalls von der Regelung ausgenommen werden sollen. Überdies können im Falle von wirtschaftlichen Härtefällen, bei denen eine „wirtschaftlichen Unterdeckung“ nachgewiesen wird, von der Senatsverwaltung abweichende Mieterhöhungen und höhere Mietvereinbarungen genehmigt werden.

• Zusätzlich soll eine allgemeingültige Mietobergrenze eingeführt werden, bei deren Überschreiten Mieter die Absenkung auf die Mietobergrenze verlangen können. Dies soll auch bei Wiedervermietungen gelten. Noch offen ist, ob eine pauschale oder zum Beispiel nach Baujahr, Lage und Ausstattung differenzierte Obergrenze festgesetzt werden soll. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass die Obergrenze ausgehend von einem Zeitpunkt bestimmt werden soll, als der Berliner Wohnungsmarkt „noch nicht in Schieflage geraten“ war.

• Modernisierungsumlagen, die zu einer Steigerung der Bruttowarmmiete (d.h. nach Berücksichtigung von Einsparungen bei Betriebskosten) von mehr als 0,50 Euro pro Quadratmeter führen, bedürfen danach der Genehmigung durch die Investitionsbank Berlin. Genehmigungen sollen erteilt werden, wenn es sich beispielsweise um gesetzlich vorgeschriebene oder zur Erreichung von Klimaschutzzielen förderliche energetische Maßnahmen handelt, Barrieren in Wohnungen reduziert oder Fördermittel des Landes für die Wohnraummodernisierung in Anspruch genommen werden. Im Gesetzgebungsverfahren sollen weitere ökologisch und sozial innovative Sanierungsmodelle berücksichtigt und die Förderpraxis neu justiert und weiterentwickelt werden.

• Verstöße gegen das neue Berliner Mietengesetz werden als Ordnungswidrigkeit eingestuft und können mit Geldbußen bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

 Hintergrund zur politischen Diskussion

Auch nach dem Senatsbeschluss sind die wesentlichen Regelungsinhalte und -mechanismen weiterhin unklar. In der öffentlichen Diskussion mehren sich kritische Stimmen. Sie warnen vor unbeabsichtigten Auswirkungen, die der Schaffung und dem Erhalt angemessenen Wohnraums in Berlin entgegenwirken und zudem unsozial sind. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzesentwurf im Einzelnen ausgestaltet sein wird und welche Änderungen sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch durchsetzen lassen.

Die politische Diskussion hat gerade erst begonnen. Die Verbände, insbesondere der Dachverband ZIA als zentrale Interessenvertretung der Immobilienwirtschaft und der BFW als führender Verband der privaten Wohnungswirtschaft, haben ihre politischen Aktivitäten verstärkt. So unterstrichen letzte Woche beim Tag der Immobilienwirtschaft des ZIA Spitzenpolitiker von CDU/CSU und FDP ihre Ablehnung von Mietendeckel und Verstaatlichungen. Sie forderten die Konzentration auf Maßnahmen zur Beschleunigung und finanziellen Entlastung des Neubaus. Auch der GdW, der Dachverband der öffentlichen und privaten Wohnungsunternehmen, hat Anfang dieser Woche den Berliner Mietendeckel abgelehnt und stattdessen öffentliche Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau gefordert.

Bereits unmittelbar vor dem Senatsbeschluss warnten Wohnungspolitiker der an der Landesregierung beteiligten Berliner SPD, dass durch das Einfrieren der Mieten auch dem Land Berlin für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften Überschüsse von jährlich rund 150 Millionen Euro entzogen würden. Diese werden jedoch dringend für den Neubau durch das Land benötigt. Auch die Wohnungsgenossenschaften lehnen den Mietendeckel ab. Nach ihrer Auffassung nimmt er ihnen die Möglichkeit, über moderate Mieterhöhungen die eingeplanten Mittel für anstehende sozialverträgliche Modernisierungen und Instandsetzungen aufzubringen. Auf dieses Problem hat sogar der Bezirksbaustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), hingewiesen.

Auch in anderen Bundesländern wird die Einführung eines landesrechtlichen Mietendeckels gegenwärtig diskutiert. Unseres Erachtens ist aber nicht zu erwarten, dass andere Bundesländer vor Einführung derartiger Regelungen erstmal den „Testfall“ Berlin abwarten.

Rechtliche Bewertung

Bereits im Vorfeld des Senatsbeschlusses haben wir in Fachartikeln und einem Kurzgutachten für den BFW-Landesverband Berlin/Brandenburg unsere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das geplante Gesetz dargelegt. Nach unserer Auffassung verstößt das geplante Berliner Mietengesetz für die privaten, nicht-öffentlich subventionierten Wohnungsbestände in wesentlichen Punkten gegen das Grundgesetz. Denn dem Land Berlin fehlt insbesondere die erforderliche Gesetzgebungskompetenz.

Der Bund hat mit dem im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelten Mietpreisrecht seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerliche Recht abschließend ausgeübt. Dass der Bund diesen Bereich auch weiterhin selbst regeln will, zeigt nicht zuletzt der jüngst im Mai vom Bundesjustizministerium vorgelegte Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Mietpreisbremse.

Im Ergebnis zu der gleichen Einschätzung kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages: „Für frei am Wohnungsmarkt angebotene Mietwohnungen dürfte das Mietpreisrecht des Bundes eine abschließende gesetzliche Regelung darstellen“, hieß es bereits in der im Februar verfassten Studie „Gesetzliche Mietpreisregulierung durch die Länder aufgrund der Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen“. In dem vorgestern veröffentlichten weiteren Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Gesetzgebungskompetenz für ein zeitlich begrenztes Verbot von Mieterhöhungen und Vereinbarkeit mit Art. 14 GG“ wird ergänzend ausgeführt: „Überwiegende Gründe dürften dafür sprechen, dass die abschließende Wirkung der §§ 557 ff. BGB für den gesamten Regelungsbereich des – auf dem freien Wohnungsmarkt anzuwendenden – Mietpreisrechts gilt“ (Hervorh. d. Verf.). Infolgedessen „dürfte die Sperrwirkung unabhängig davon eintreten, ob eine mietpreisregulierende Regelung zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Charakter hat.“ Deshalb ist auch die von der Senatsverwaltung ins Feld geführte Argumentation, der Mietendeckel könne auf die seit der Föderalismusreform 2006 den Ländern überlassene Regelungskompetenz im Bereich des „Wohnungswesens“ gestützt werden, nicht überzeugend.

Denn der Bund hat den betreffenden Lebenssachverhalt – das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter – durch das Bundes-Mietpreisrecht abschließend geregelt. Die Regelungsbefugnisse der Länder sind damit für die freifinanzierten Wohnungsbestände gesperrt. Die Gegenansicht stützt sich im Kern auf ein für die Berliner SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus erstelltes Gutachten aus dem März. Es verkennt jedoch den abschließenden Charakter des Bundes-Mietpreisrechts. Im Übrigen liefe diese Ansicht darauf hinaus, dass das Land Berlin das Mietpreisrecht des Bundes durch eigene Regelungen konterkarieren und damit das Konzept der konkurrierenden Gesetzgebung ad absurdum führen könnte. Dass der Berliner Mietendeckel nach dem Willen des Senats „öffentlich-rechtlich“ ausgestaltet werden soll, würde an diesem Befund nichts ändern, da das Mietendeckel-Gesetz auch nach dem Senatsbeschluss in das privatrechtliche Mietvertragsverhältnis eingreifen soll.

Darüber hinaus verletzt der Mietendeckel unseres Erachtens auch die Eigentumsgarantie. Da nicht einmal ein Inflationsausgleich gewährt werden soll, dürfte der Mietendeckel gegen das Verbot der Verlustverursachung verstoßen, das von der Eigentumsgarantie geschützt ist. Diesen Aspekt hebt auch das vorgestern veröffentlichte Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor. Unabhängig davon stellt das Einfrieren der Mieten eine unverhältnismäßige Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerrechte dar. Denn dem Landesgesetzgeber stehen eine Fülle von alternativen Instrumenten zur Verfügung, die weniger in das Eigentumsrecht eingreifen. Mit ihnen kann der Neubau bezahlbarer Wohnungen beschleunigt und einkommensschwache Mietergruppen durch gezielte Förderungen unterstützt werden.

Eine detaillierte Analyse wird ebenso wie eine abschließende Bewertung der Rechtsschutzmöglichkeiten und Handlungsoptionen der Eigentümer erst möglich sein, wenn der Gesetzesentwurf Ende August vorliegt. Wir werden Sie über die weitere Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden halten. Aber auch vorher stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung, wenn Sie für Ihre Situation relevante Einzelfragen prüfen lassen oder mehr zu diesem Thema erfahren möchten.

Dr. Christian Schede
Managing Partner
christian.schede@gtlaw.com
 +49 30 700171 120

Dr. Johann-Frederik Schuldt
Associate
johann.schuldt@gtlaw.com
 +49 30 700171 289