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Bundesverfassungsgericht erklärt Berliner Mietendeckel für nichtig

Mit seinem gestern veröffentlichten Beschluss (Aktenzeichen: 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20) hat das Bundesverfassungsgericht das als „Berliner Mietendeckel" bekannte Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG) für verfassungswidrig erklärt.
 
Die Richter in Karlsruhe haben das Mietendeckel-Gesetz vollständig aufgehoben – das Gesetz ist damit von Anfang an nichtig. Die Entscheidung wurde im Ergebnis einstimmig gefällt. Sie hat Gesetzeskraft und kann vom Land Berlin nicht durch Rechtsmittel angegriffen werden.

Der Beschluss wurde vom zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren über die abstrakte Normenkontrolle von 284 Bundestagsabgeordneten aus den Fraktionen von CDU/CSU und FDP sowie zwei konkrete Normenkontrollvorlagen von Berliner Instanzgerichten gefasst. Damit haben sich auch die zahlreichen Verfassungsbeschwerden vor dem ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts gleichsam mit erledigt. Dazu gehören auch die Sammel-Verfassungsbeschwerden, die wir für ausgewählte Wohnungsbaugenossenschaften sowie 12 repräsentative private Vermieter erhoben hatten (siehe GT Newsalert Juni 2020 sowie WBGD-News und BFW-Newsroom).

Kein Raum für eine Gesetzgebungskompetenz der Länder
 

Das Bundesverfassungsgericht stellt in der Entscheidung fest, dass das Land Berlin mit der Verabschiedung des Mietendeckel-Gesetzes gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verstoßen hat. Regelungen zur Miethöhe für private und frei finanzierte Wohnungen sind Teil des bürgerlichen Rechst und fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Der Bundesgesetzgeber hat mit dem sozialen Mietpreisrecht nach §§ 556 bis 561 BGB hier eine abschließende Regelung getroffen. Für die privaten und frei finanzierten Wohnungsbestände besteht kein Raum für ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene. Doppelzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern für denselben Regelungsgegenstand sind den Kompetenznormen des Grundgesetzes fremd. Keine Aussage hat das Bundesverfassungsgericht hingegen zu der Vereinbarkeit des Mietendeckel-Gesetzes mit der Eigentumsgarantie und dem Gleichheitsgebot getroffen. Der Entscheidung lassen sich daher keine neuen grundrechtlichen „Leitplanken" für künftige Maßnahmen des Bundesgesetzgebers auf dem Feld der Wohnungsmarktregulierung entnehmen.

BGB-Mietpreisrecht gilt wieder uneingeschränkt
 
Die Karlsruher Richter haben auf ganzer Linie unsere rechtliche Auffassung bestätigt, die wir seit Beginn der Debatte über das Mietendeckel-Gesetz vertreten haben. Bereits vor über zwei Jahren haben wir als erste Autoren in der juristischen Fachpresse und im Dezember 2019 als Experten in der Sachverständigenanhörung im Berliner Abgeordnetenhaus darauf hingewiesen, dass die Bundesländer das vom Bund über Jahrzehnte entwickelte, sozial abgefederte BGB-Mietpreisrecht nicht durch eigene Regelungen konterkarieren dürfen (siehe GT Newsalerts Juni 2019, September 2019 und Februar 2020).
 
Mit der Entscheidung besteht nun endlich Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter: (Auch) in Berlin gilt wieder allein das BGB-Mietpreisrecht. Damit ist auch die durch das Mietendeckel-Gesetz eingeführte faktische Privilegierung von Besserverdienenden in guten Wohnlagen beseitigt. Andere Bundesländer sind durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am Erlass vergleichbarer Landes-Mietendeckel-Gesetze ebenfalls gehindert.

Mietnachforderungen grundsätzlich möglich – differenziertes Vorgehen erwartet
 
Da das Bundesverfassungsgericht das Mietendeckel-Gesetz für von Anfang an nichtig erklärt hat, waren und sind Mietvereinbarungen nach den BGB-Vorgaben zulässig. Soweit sich Vermieter die höhere BGB-Miete vorbehalten haben, können sie nun die Differenz grundsätzlich nachfordern. Vorstände und Geschäftsführungen werden dabei im Einzelfall auch zu prüfen haben, ob sie dazu gesellschaftsrechtlich oder als Treuhänder verpflichtet sind. Allgemein wird dabei ein sozial ausgewogenes, partnerschaftliches Vorgehen von Mietern und Vermietern erwartet. Zwischenzeitlich ergangene Ordnungsverfügungen, in denen einzelne Wohnungsämter Vermietern die Vereinbarung paralleler BGB-Mieten sowie Mieterhöhungen untersagt haben, müssen nun von den Behörden grundsätzlich aufgehoben werden; jedenfalls dürfen sie nicht mehr durchgesetzt werden. Vermieter und Hausverwaltungen sollten im Zweifel Widerspruch gegen noch anhängige Verfügungen einlegen.
 
Unsere Experten im Verfassungs- und Mietpreisrecht haben Mandanten seit dem Aufkommen der Mietendeckel-Pläne zu sämtlichen damit verbundenen verfassungs- und compliancerechtlichen Fragen begleitet. Mit dieser Expertise stehen wir Ihnen nun auch zu allen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgenden Fragen sowie strategischen Weichenstellungen zur Verfügung.