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Novelle des Telekommunikationsgesetzes – Neuregelungen für Gebäudenetze und Auswirkungen auf die Immobilienwirtschaft

Der Bundestag hat am 22. April 2021 das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKMoG) beschlossen. Es wird sich wesentlich auf den Anschluss von Gebäuden an Telekommunikationsnetze, den Ausbau und Betrieb von Verkabelungen in Gebäuden sowie die Versorgung von Mietern mit Telekommunikationsdiensten auswirken. Nach Zustimmung des Bundesrats soll das Gesetz am 1. Dezember 2021 in Kraft treten, wobei für einzelne Neuregelungen längere Übergangsfristen vorgesehen sind.

Für die Immobilienwirtschaft sind insbesondere die folgenden Regelungen relevant: 

1. „Bisherige Welt“ – Abschaffung der Umlagefähigkeit, Sonderkündigungsrecht und Opt-out

  •  Vermieter haben bisher die Möglichkeit, die laufenden Kosten für den Betrieb von Gemeinschaftsantennen- sowie für kabelgebundene Koaxialkabel- oder Glasfaseranlagen als Betriebskosten auf die Mieter umzulegen. Hierzu zählen insbesondere auch die monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse für die TV-Grundversorgung eines Gebäudes. Diese Umlagefähigkeit wird für alle Bestandsverträge mit Wirkung zum 30. Juni 2024 abgeschafft. Umlagefähig bleiben ab dann nur noch die reinen Stromkosten für diese Anlagen sowie Wartungskosten bei Gemeinschaftsantennenanlagen .
  • Da die Umlagefähigkeit nur das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter betrifft, wird Vermietern parallel ein Sonderkündigungsrecht für alle bis zum 1. Dezember 2021 abgeschlossenen Gestattungsverträge eingeräumt. Dieses kann erstmalig mit Wirkung zum 1. Juli 2024 ausgeübt werden. Das Sonderkündigungsrecht besteht allerdings nicht, wenn die Parteien für den Fall des Wegfalls der Umlagefähigkeit eine anderweitige Regelung vereinbart haben.
  • Mieter, die im Rahmen ihres Mietvertrags einen Telekommunikationsdienst wie zum Beispiel einen TV-oder Internetanschluss nutzen,  erhalten ein gesetzliches Opt out-Recht aus diesen Diensten, wenn der Mietvertrag länger als 24 Monate besteht. Bei Diensten, die vom Vermieter als Betriebskosten umgelegt werden, kann das Opt-out-Recht allerdings erst ab dem 1. Juli 2024 ausgeübt werden. Wegen der gleichzeitigen Abschaffung der Umlagefähigkeit zu diesem Zeitpunkt hat es insofern für diese Konstellationen keine eigenständige Bedeutung. 
 
2. „Umlage 2.0“ – neue Möglichkeiten zur Refinanzierung von Glasfaserinvestitionen

Um  die Errichtung und Finanzierung neuer Glasfasernetze zu fördern, werden zwei neue Alternativen der Refinanzierung von Glasfasernetzen geschaffen: 

  • Glasfaserbereitstellungsentgelt: Errichtet ein Netzbetreiber  bis zum 31. Dezember 2027 erstmalig ein Gebäude-Glasfasernetz, können Gebäude-Eigentümer und Netzbetreiber ein sogenanntes Glasfaserbereitstellungsentgelt vereinbaren, das die Kosten abdecken soll, die für die Errichtung des Netzes anfallen. Dieses vom Gebäudeeigentümer an den Netzbetreiber zu zahlende Entgelt ist sowohl der Höhe nach als auch zeitlich gedeckelt: es darf höchstens 60 Euro pro Jahr betragen, darf nur die Kosten der Netzerrichtung abdecken und der Netzbetreiber darf es für einen Zeitraum von in der Regel fünf Jahren, in Ausnahmefällen maximal bis zu neun Jahren, verlangen, sodass bis zu 540 Euro an Investitionen erfasst werden können. Bei Investitionen von über 300 Euro ist zusätzlich eine besondere Begründung  durch den Netzbetreiber gegenüber dem Eigentümer erforderlich. Bei bereits bestehenden, seit dem Jahr 2015 errichteten Glasfasernetzen ist unter bestimmten Voraussetzungen auch eine nachträgliche Vereinbarung des neuen Bereitstellungsentgelts möglich, wobei dann die bis zur Umwandlung verstrichenen Zeiträume bei der Festlegung des Entgelts angerechnet werden. Soweit ein Netzbetreiber ein Glasfaserbereitstellungsentgelt mit dem Gebäudeeigentümer vereinbart, ist er verpflichtet, das errichtete Netz allen nachfragenden Netzbetreibern kostenfrei zur Verfügung zu stellen. 
  • Modernisierungsumlage: Errichtet der Gebäude-Eigentümer selbst erstmalig ein Inhaus-Glasfasernetz, stellt das neue Gesetz klar, dass es sich hierbei um eine Modernisierung handelt, so dass die anfallenden Investitionskosten in Höhe von derzeit jährlich acht Prozent als Modernisierungsumlage auf die Mieter umgelegt werden können. Eine Modernisierungsumlage ist allerdings nicht möglich, sofern das Glasfasernetz bereits (teilweise) durch ein Glasfaserbereitstellungsentgelt refinanziert wird oder wurde.

3. „DigiNetzG 2.0“ – Gesetzliche Zugangsmöglichkeiten und neue Entgeltmaßstäbe für die (Mit-)Nutzung von Gebäudenetzen 

Durch das sog. DigiNetzG wurden bereits im Jahr 2016 gesetzliche Mitnutzungsansprüche eingeführt, die Netzbetreiber gegenüber den Eigentümern oder Betreibern von Gebäudenetzen über die (Mit-)Nutzung dieser Netze stellen können. Das TKMoG stellt nun neue Entgeltmaßstäbe auf, die die Bundesnetzagentur im Rahmen von regulatorischen Streitbeilegungsverfahren über solche Mitnutzungsansprüche anwenden muss:

  • Bereitstellung von Inhausnetzen zu den Zusatzkosten der Nutzung: Grundsätzlich sollen die Entgelte  für die Mitnutzung aller Gebäude-Infrastrukturen (einschließlich der Verkabelungen) auf Basis der zusätzlichen Kosten erfolgen, die für den jeweils zugangsverpflichteten Eigentümer  oder Betreiber der Gebäudenetze durch die Mitnutzung entstehen. Zu diesen Kosten zählen beispielsweise Kosten für die Auf- und Abschaltung des zugangsbegehrenden Netzbetreibers , nicht aber die Investitionskosten. 
  • Privilegierung nur für neu errichtete Inhaus-Glasfasernetze: Für Gebäude-Glasfasernetze, die nach Inkrafttreten des TKMoG neu errichtet wurden, gilt ein anderer Kostenmaßstab – für den Zugang zu diesen Netzen sollen für die Mitnutzungsentgelte auch die getätigten Investitionen sowie die Auswirkungen der Mitnutzung auf den Geschäftsplan des Zugangsverpflichteten  berücksichtigt werden. Für Glasfasernetze, die vor Inkrafttreten des TKMoG errichtet wurden, gelten diese Entgeltmaßstäbe indes nicht. Diese Differenzierung bringt nicht nur  Risiken bezüglich der Refinanzierung bereits getätigter Investitionen mit sich; sie begegnet auch erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Willkürverbot, da für Glasfasernetze, die vor und nach Inkrafttreten des TKG errichtet wurden, unterschiedliche Entgeltmaßstäbe gelten sollen. 
  • Benachteiligung konzernverbundener NE4-Betreiber: Der neue Entgeltmaßstab für Glasfasernetze soll zudem auch nicht für neu errichtete Glasfasernetze gelten, die von Unternehmen errichtet werden, die mit dem Gebäudeeigentümer konzernverbunden sind – für den Zugang zu diesen Netzen soll es beim Maßstab der reinen Zusatzkosten bleiben, während Investitionskosten nicht berücksichtigt werden. Auch diese Regelung begegnet aufgrund der unterschiedlichen Behandlung zwischen konzernverbundenen und externen Netzbetreibern erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal sie sich dem Wortlaut nach auch auf die Verlegung von Glasfasernetzen durch im kommunalen Eigentum stehende Stadtwerke in den Gebäuden kommunaler Wohnungsbaugesellschaften beziehen. 
  • Unentgeltliche Mitnutzung  von Gebäudenetzen bei Investitionen: Nach wie vor soll die Mitnutzung für den zugangsbegehrenden Netzbetreiber kostenlos erfolgen, wenn dieser selbst Investitionen in die Herstellung der Inhausinfrastruktur getätigt hat. Trotz wesentlicher Bedenken an dieser Regelung und zahlreichen offenen Einzelfragen hat der Gesetzgeber es im Rahmen des TKModG versäumt, klare Vorgabe zur erforderlichen Höhe solcher Investitionen, zur Frage der vertraglichen Abdingbarkeit oder auch zum Zeitpunkt der Errichtung der Inhausnetze zu machen.

4. Erste Einschätzung der Neuregelungen

Der Gesetzgeber hat sich mit dem TKMoG zum Ziel gesetzt, sowohl den Dienste-Wettbewerb als auch den Glasfaserausbau zu fördern. Ob diese Ziele bei der Versorgung von Gebäuden tatsächlich erreicht werden, ist allerdings eher zu bezweifeln. Das Gesetz enthält eine Vielzahl für die Praxis problematischer Regelungen und lässt zudem viele Fragen offen. 

  • Die politisch extrem umstrittene Abschaffung der Umlagefähigkeit mit Wirkung bereits zum 30. Juni 2024 erfordert nicht nur die Nachverhandlung oder Neuausschreibung einer Vielzahl von bestehenden Versorgungsverträgen, sondern – bei einem Versorgerwechsel – auch die Errichtung neuer Netze innerhalb der nächsten drei Jahre. Das wird sowohl wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Übergangszeit als auch wegen der knappen Baukapazitäten die Errichtung neuer Netze erschweren. Begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang aus Sicht der Immobilienwirtschaft, dass der Gesetzgeber über ein Sonderkündigungsrecht die Möglichkeit geschaffen hat, bestehende Versorgungsverträge rechtssicher aufheben zu können. 
  • Ob das neue Glasfaserbereitstellungsentgelt die gewünschten Investitionsanreize für den Ausbau von Inhaus-Glasfasernetzen bietet, ist zu hinterfragen. Denn für viele Netzbetreiber dürften die damit verbundenen entgeltlichen, zeitlichen und vertraglichen Beschränkungen sowie die kostenfreie Mitnutzungsmöglichkeit für Dritte ein Grund sein, das Entgelt nicht zu vereinbaren, sondern neue Glasfasernetze lieber frei zu finanzieren. 
  • Bei den Entgeltmaßstäben für die gesetzliche Mitnutzung bestehen zudem erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit – hier scheinen wesentliche Regelungen eher an den Interessen großer Telekommunikationsunternehmen an einer möglichst kostenfreien Nutzung von Gebäudenetzen als an praxisgerechten Differenzierungen ausgerichtet zu sein.