Am 9. Oktober 2025 hat der Bundestag das Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung („Gesetz“) verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es, Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau zu beschleunigen und Kommunen und Bauträgern mehr Flexibilität zu geben. Das Gesetz ist am 30. Oktober 2025 in Kraft getreten.
Bau-Turbo
Eckpfeiler des Gesetzes ist der sogenannte Bau-Turbo, der in § 246e Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) eingeführt wurde. Die neue Bestimmung ermöglicht es, bei Wohnungsbauvorhaben vom geltenden Planungsrecht abzuweichen. Eine solche Abweichung unterliegt jedoch der Zustimmung der jeweiligen Gemeinde, wodurch die Planungshoheit der Gemeinden gewahrt bleiben soll. Die Gemeinde kann die Zustimmung erteilen, wenn keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Nachbarschaft zu erwarten sind. Eine verweigerte Zustimmung kann nicht durch die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde ersetzt werden.
Entscheidet sich die Gemeinde für die Anwendung des Bau-Turbos, können zusätzliche Wohnungen genehmigt werden, ohne dass ein Bebauungsplan aufgestellt oder geändert werden muss. Das bedeutet, dass Wohnungen in Einzelfällen ohne jeglichen Bebauungsplan gebaut werden können. Dies kann eine schnelle und flexible Errichtung neuer Wohnungen ermöglichen. Da der Bau-Turbo hauptsächlich auf innerstädtische Gebiete ausgerichtet ist, findet er im Außenbereich nur begrenzt Anwendung. Dort kann der Bau-Turbo nur angewendet werden, wenn die geplanten Wohnungen unmittelbar an bestehende Siedlungen angrenzen.
Auch mit dem Bau-Turbo müssen Bauträger weiterhin eine Baugenehmigung gemäß der Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes einholen. Die Bundesländer können jedoch eigene Mechanismen zur Beschleunigung der Baugenehmigungsverfahren einführen. Das Land Berlin beispielsweise hat bereits solche Instrumente durch das Berliner Gesetz zur Beschleunigung des Bauens (Schneller-Bauen-Gesetz) eingeführt, das am 22. Dezember 2024 in Kraft getreten ist. Der Bau-Turbo kann als weiterer Beschleuniger für Genehmigungsverfahren dienen, weil die Baubehörden möglicherweise die Prüfung auf Interessenkonflikte mit den Planungsanforderungen überspringen können. Stattdessen würde sich ihre Prüfung auf baurechtliche Fragen, insbesondere den Brandschutz, beschränken.
Der Bau-Turbo gilt nur bis zum 31. Dezember 2030. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen plant, die Auswirkungen des Bau-Turbos bis Ende 2029 zu evaluieren, insbesondere hinsichtlich seiner Wirkung auf die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum.
Weitere Änderungen
Neben dem Bau-Turbo wurden mit dem Gesetz auch mehrere damit zusammenhängende Bestimmungen geändert, um Bauvorhaben zu beschleunigen:
- Befreiungen von bestehenden Bebauungsplänen: Gemäß dem neuen § 31 Abs. 3 BauGB können nun zusätzliche Wohnbauvorhaben in bereits durch einen Bebauungsplan erfassten Gebieten genehmigt werden, auch wenn diese Genehmigung über die Vorgaben des Bebauungsplans hinausgeht. Dies betrifft insbesondere Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung. Dieser Mechanismus kann die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans entbehrlich machen, sofern das Projekt in das städtische Umfeld passt und nicht im Widerspruch zu öffentlichen Interessen steht.
- Mehr Spielraum beim Lärmschutz: Der neue § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB erleichtert Lärmschutzfestsetzungen. Kommunen können nun spezifische Immissionsgrenzwerte festsetzen und in „begründeten Fällen” von den Vorgaben der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) abweichen. Ziel ist es, pragmatische Lösungen für Lärmkonflikte im Zusammenhang mit innerstädtischen Entwicklungen zu finden und damit zusätzliches Wohnraumpotenzial zu erschließen.
- Abweichungen für das Bauen in unbeplanten Innenbereichen: Nach dem neuen § 34 Abs. 3b BauGB dürfen Wohngebäude nun auch in unbeplanten Innenbereichen errichtet werden, wenn sie sich nicht in die nähere Umgebung einfügen. Damit soll die verfügbare Fläche besser genutzt und neue Projekte insbesondere in Städten mit begrenztem Bauland erleichtert werden.
- Verlängerung des Umwandlungsverbots: Nicht direkt mit dem Bau-Turbo verbunden, enthält das Gesetz auch eine zusätzliche regulatorische Verschärfung: Das Umwandlungsverbot für Wohngebäude in Wohnungseigentum in angespannten Wohnungsmärkten gemäß § 250 BauGB wird um weitere fünf Jahre bis 2030 verlängert.
Fazit
Der Bau-Turbo spiegelt das Vorhaben der Bundesregierung wider, den Neubau von Wohnraum zu beschleunigen. Die befristeten Regelungen sollen Kommunen und Bauträgern praktische Instrumente an die Hand geben, um schnell auf die Anspannung der Wohnungsmärkte reagieren zu können, ohne dabei die kommunale Planungssouveränität zu beeinträchtigen. Die Kommunen können frei entscheiden, ob sie den Bau-Turbo nutzen wollen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Bau-Turbo und die begleitenden Maßnahmen das angestrebte Wohnraumpotenzial erschließen werden. Vieles wird davon abhängen, wie die Kommunen die neuen Bestimmungen „mit Leben füllen” und die erforderlichen Zustimmungen erteilen. Anders als bei üblichen Planungsverfahren gibt es in den Kommunen keine etablierten Prozesse für die neuen Verfahren.
In jedem Fall sollte der Bau-Turbo eher als kurzfristige Maßnahme denn als Ersatz für grundlegende Reformen im Bau- und Planungsrecht betrachtet werden. Er stellt nur einen ersten Schritt zur Erleichterung von Neubauprojekten dar. Der Bau-Turbo müsste durch den Abbau von regulatorischen Einschränkungen auf anderen Feldern (z.B. im Mietpreisrecht) und die Bereitstellung geeigneter Finanzierungsmodelle für den Wohnungsbau ergänzt werden.