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Das Bundeskabinett hat am 23. März 2020 weitere Eilmaßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie beschlossen. Das Maßnahmenpaket umfasst neben einem Soforthilfeprogramm für Kleinstunternehmen, Soloselbständige und Freiberufler von bis zu EUR 50 Mrd. sowie einem Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit EUR 600 Mrd. ein
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemieim Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht.
 
Das Gesetz wurde am 25. März 2020 im Bundestag verabschiedet und am 27. März 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Regelungsbereiche betreffen:
  • Allgemeines Vertragsrecht – Moratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmen
  • Miet- und Pachtverträge – Vorübergehender Kündigungsausschluss bei Zahlungsverzug
  • Insolvenzrecht – Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
  • Gesellschaftsrecht – Vereinfachungen von Gesellschafterversammlungen und Interimsausschüttungen
  • Darlehensverträge – Vorübergehende Stundung für Verbraucher
  • Strafverfahrensrecht – Erleichterung der Aussetzung von Strafverfahren
 
Wichtig: Das vertragsrechtliche Moratorium findet keine Anwendung auf Arbeitsverträge. Zu arbeitsrechtlichen FAQs siehe unsere Zusammenfassung hier. Steuerrechtliche Erleichterungen ergeben sich aus dem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 19. März 2020 (hier abrufbar) sowie aus den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder (hier abrufbar).
 
Die wesentlichen Regelungen des Gesetzesentwurfs zum Zivil- und Insolvenzrecht (ohne Strafverfahrensrecht) sind im Folgenden zusammengefasst:

1. Allgemeines Vertragsrecht – Moratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmen
  • Verbraucher können Leistungen (also i.d.R. Zahlungen) aus vor dem 8. März 2020 abgeschlossenen Verbraucherverträgen bis zum 30. Juni 2020 verweigern, wenn anderenfalls aufgrund der Corona-Pandemie ihr Lebensunterhalt oder der ihrer Unterhaltberechtigten gefährdet wäre.
  • Das gilt auch für sog. Kleinstunternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter und Jahresumsatz oder -bilanz unter EUR 2 Mio.), wenn sie aufgrund der Corona-Pandemie die Leistung nicht erbringen können oder anderenfalls ihre wirtschaftlichen Grundlagen gefährdet wären.
  • Dieses Moratorium gilt jeweils nur für sog. Dauerschuldverhältnisse über „wesentliche Leistungen“, also solche, die zur angemessenen Daseinsvorsorge bzw. zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind, mit folgenden Ausnahmen: Es gilt nicht für Arbeitsverträge (siehe oben) und ebenfalls nicht für Miet- und Darlehensverträge, für die jeweils Sonderregelungen eingeführt werden (siehe unten).
  • Die neu geschaffenen Leistungsverweigerungsrechte für Verbraucher bzw. Kleinstunternehmen bestehen jedoch dann nicht, wenn dies die wirtschaftlichen Grundlagen oder den Lebensunterhalt des anderen Vertragspartners gefährden würde. In diesem Fall kann der Verbraucher bzw. das Kleinstunternehmen den Vertrag allerdings kündigen.
  • Die Bundesregierung wird ermächtigt, dieses Moratorium durch Rechtsverordnung bis zum 30. September 2020 zu verlängern, wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit und Erwerbstätigkeit durch die COVID-19-Pandemie weiterhin erheblich beeinträchtigt bleibt.


2. Miet- und Pachtverträge – Vorübergehender Kündigungsausschluss bei Zahlungsverzug 

  • Allein wegen Zahlungsverzugs des Mieters oder Pächters im Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 ist der Vermieter bzw. Verpächter nicht zur Kündigung berechtigt, wenn der Verzug auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht. Eine Kündigung aus anderen Gründen bleibt möglich.
  • Der Mieter muss den Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und dem Zahlungsverzug glaubhaft machen.  
  • Der Kündigungsausschluss gilt bis zum 30. Juni 2022, d.h. sind Mietrückstände aus dem Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2020 bis dahin noch nicht ausgeglichen, kann ab Juli 2022 wegen dieser Rückstände wieder gekündigt werden.
  • Die Bundesregierung wird ermächtigt, die Regelungen durch Rechtsverordnung auf Mietrückstände für den Zeitraum 1. Juli 2020 bis 30. September 2020 zu erstrecken, wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit und die Erwerbstätigkeit durch die COVID-19-Pandemie weiterhin erheblich beeinträchtigt bleibt.
 
3. Insolvenzrecht – Aussetzung der Insolvenzantragspflicht 
  • Die Insolvenzantragspflicht wird ausgesetzt, es sei denn, die Insolvenz beruht nicht auf der Corona-Pandemie oder es bestehen keine Aussichten, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beenden. Es wird vermutet, dass diese Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen, wenn der Schuldner Ende 2019 zahlungsfähig war.
  • Ergänzend setzen von Gläubigern gestellte Insolvenzanträge im Zeitraum vom 28. März 2020 bis 28. Juni 2020 voraus, dass der Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 bestand. Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut unabhängig davon, ob die Insolvenz mit der Corona-Pandemie zusammenhängt.
  • Die Regelungen zur Begrenzung von Insolvenzanträgen werden durch weitere Bestimmungen flankiert, so dass z.B. Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang in der Zeit, in der die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist, nicht aufgrund der etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft pflichtwidrig sind. Außerdem werden die Möglichkeiten zur Insolvenzanfechtung eingeschränkt und Kreditgewährungen und Besicherungen während des Zeitraums der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erleichtert. Für in diesem Zeitraum gewährte Gesellschafterdarlehen gilt: In Insolvenzverfahren, die bis 30. September 2023 beantragt werden, wird die gesetzliche Subordination ausgesetzt.
  • Die Änderungen im Insolvenzrecht gelten zunächst bis 30. September 2020, können aber durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bis zum 31. März 2021 verlängert werden. Die Beschränkung der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Rückzahlung von Darlehen und Besicherungen, die während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gewährt werden, erfasst Tilgungen bis zum 30. September 2023, wobei die Finanzierungen/Besicherungen durch die KfW und vergleichbare Förderbanken im Rahmen staatlicher COVID-19-Hilfsprogrammen noch einmal besonders privilegiert werden.
 
4. Gesellschaftsrecht – Vereinfachungen für Gesellschafterversammlungen und Interimsausschüttungen 
  • Hauptversammlungen bei AG, KGaA, SE und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit können als reine Online-Hauptversammlungen stattfinden. Den Aktionären muss also keine physische Teilnahme ermöglicht werden. Diese Möglichkeit besteht auch dann, wenn die Satzung der Gesellschaft eine Online-Hauptversammlung nicht vorsieht.
  • Die Frist zur Durchführung der ordentlichen Hauptversammlung wird von acht auf zwölf Monate verlängert.
  • Die Einberufungsfrist für Hauptversammlungen wird verkürzt.
  • Der Vorstand erhält die Möglichkeit, das Fragerecht der Aktionäre auf solche Fragen zu begrenzen, die zwei Tage vor der Hauptversammlung elektronisch eingereicht worden sind.
  • Interim-Dividenden ohne vorherigen Hauptversammlungsbeschluss werden auch dann ermöglicht, wenn dies in der Satzung der Gesellschaft nicht vorgesehen ist.
  • Gesellschafterversammlungen von GmbHs können Beschlüsse auch dann schriftlich oder in Textform fassen, wenn nicht sämtliche Gesellschafter mit diesem Verfahren einverstanden sind.
  • Ähnliche Erleichterungen wie für die oben genannten Gesellschaftsformen werden mit Unterschieden im Detail auch für Genossenschaften, Vereine und Stiftungen geschaffen. Darüber hinaus gilt für diese sowie für Wohnungseigentümergemeinschaften, dass Vorstände bzw. Verwalter bis zur Berufung eines Nachfolgers im Amt bleiben.
  • Im Umwandlungsrecht wird eine Fristverlängerung eingeführt, so dass der Bilanzstichtag der für die Umwandlungsmaßnahme einzureichenden Bilanz des übertragenden Rechtsträgers bis zu zwölf (statt bisher: acht) Monate zurückliegen darf.
  • Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen gelten zunächst nur im Jahr 2020. Das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz kann durch Rechtsverordnung die Gültigkeit bis Ende 2021 verlängern.
 
5. Darlehensverträge – Vorübergehende Stundung für Verbraucher 
  • In Verbraucherdarlehensverträgen, die vor dem 15. März 2020 geschlossen wurden, werden Zins- und Tilgungsansprüche während des Zeitraums 1. April bis 30. Juni 2020 nicht fällig, sondern ab Fälligkeit für drei Monate gestundet, wenn die Vertragserfüllung für den Verbraucher aufgrund Einnahmeausfällen infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie unzumutbar wäre.
  • Während der Stundungszeit sind Kündigungen wegen Zahlungsverzugs sowie wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit ausgeschlossen.
  • Soweit sich Darlehensgeber und Verbraucher nicht bis zum 30. Juni 2020 abweichend einigen, verlängert sich die Vertragslaufzeit des Darlehens um drei Monate und werden Fälligkeiten unter dem Darlehensvertrag entsprechend hinausgeschoben.
  • Die Regelungen zugunsten des Verbrauchers gelten nicht, wenn sie für den Darlehensgeber im Einzelfall unzumutbar wären.
  • Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung den personellen Anwendungsbereich der Regelungen insbesondere auf Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen auszuweiten sowie die Stundung der Ansprüche aus Verbraucherdarlehensverträgen bis zum 30. September 2020 und die Vertragslaufzeit bis zu 12 Monaten zu verlängern, wenn das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit und die Erwerbstätigkeit durch die COVID-19-Pandemie weiterhin erheblich beeinträchtigt bleibt.
 
Wir behalten die weiteren Entwicklungen sowie weitere Initiativen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Blick und stehen Ihnen bei Fragen im Zusammenhang mit dem Gesetz sowie weiteren Themen gern zur Verfügung.